Nachtfalter by Petros Markaris
Autor:Petros Markaris
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2011-12-01T23:00:00+00:00
29
Der von meinem Vetter ins Spiel gebrachte Steuerprüfer heißt Stavros Kelessidis und arbeitet beim Finanzamt im Stadtteil Ilissia. Wir vereinbaren einen Treffpunkt vor dem Militärhospital auf dem Vassilisis-Sofias-Boulevard. Das liegt auf halber Strecke für uns beide. Er will wissen, woran wir einander erkennen sollen, da wir uns noch nie begegnet sind, und ich schlage den Mirafiori als auffälliges Merkmal vor. Ich hoffe, daß er nicht zu jung ist, um jemals in seinem Leben einen Mirafiori zu Gesicht bekommen zu haben, da in ganz Athen vielleicht noch fünf davon herumkurven. Doch unmittelbar nachdem ich an der Haltestelle Ilissia vorübergefahren bin, sehe ich, wie mir jemand zuwinkt.
Er ist etwa fünfunddreißig, hat ein rundliches Gesicht und zu Berge stehende Haare, die anscheinend beschlossen haben, sich keinem Kamm unterzuordnen. Er ist so gekleidet wie früher die Großhändler auf dem zentralen Athener Gemüsemarkt: mit einer Sportjacke und einem bis oben hin zugeknöpften Hemd ohne Krawatte.
»Kelessidis, Herr Kommissar. Herr Kartalis schickt mich.«
»Ja, ich bin im Bilde. Hören Sie zu: Wir müssen diskret vorgehen. Vor allem dürfen wir nicht verraten, daß Sie vom Finanzamt kommen.«
»Alles klar. Herr Kartalis hat mich schon unterrichtet.«
»Ich werde Sie als meinen Assistenten vorstellen. Zweitens, um Ihnen zu verdeutlichen, wonach wir eigentlich suchen: Ich möchte, daß Sie einen Blick auf die Buchhaltung des Fußballvereins werfen und mir sagen, ob zwischen dem 25. und 30. August irgendwelche größeren Kontobewegungen zu verzeichnen sind. Ich könnte natürlich das Bankkonto des Vereins öffnen lassen, doch das dauert mir zu lange. Deshalb brauche ich Ihre Hilfe.«
Er bricht in ein gutmütiges, fast einfältig anmutendes Lachen aus. »Das ist kinderleicht, Herr Kommissar. In einer halben Stunde werden wir alles überprüft haben.«
Die Büros von Triton liegen am unteren Ende der Mitropoleos-Straße in unmittelbarer Nähe des Athener Standesamts, in der zweiten Etage eines dreistöckigen Gebäudes. Im Eingang riecht es beißend nach Urin, weil dort, wo früher Hunde ihr Bein hoben, heutzutage Albaner ihre Notdurft verrichten – die Hunde sind mittlerweile die gesellschaftliche Leiter hinaufgeklettert und verpissen nunmehr die Veranden, auf denen die hundebesessenen Athener sie einsperren. Einen Fahrstuhl gibt es nicht, also steigen wir die Treppe hoch. In der ersten Etage befindet sich ein Textilbetrieb, in der zweiten eine Lederwerkstatt. Am Ende der zweiten Etage liegen, in zwei Zimmern zusammengepfercht, die Büros von Triton.
Der Geschäftsführer ist ein gewisser Stratos Selemoglou, ein stämmiger, aus allen Poren schwitzender Mann. Ständig holt er ein Papiertaschentuch aus seiner Jackentasche und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Ich überschlage kurz, wie viele Päckchen Papiertaschentücher er täglich verbraucht, und komme auf fünf. Da ich ihn benachrichtigt hatte, daß wir die Geschäftsbücher des Fußballvereins einsehen wollten, hat er bereits seinen Buchhalter herbeizitiert, um sich mit Anstand aus der Afiäre zu ziehen. Der Buchhalter ist ein großgewachsener Typ mit Hakennase und altmodischer Hornbrille.
Kelessidis stürzt sich sofort in die Arbeit. Er schlägt die Bücher auf und weiß sogleich, wo er suchen muß. Er wirft einen raschen Blick auf die Zahlenkolonnen und geht, da vorerst nichts seine Aufmerksamkeit zu fesseln vermag, zu den weiteren Unterlagen über. Ich lasse ihn in aller
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